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Inszenierung 2005 - Fausto Paravidino: Peanuts

Eine Luxuswohnung in einer Großstadt in den neunziger Jahren: Buddy erhält von Bekannten den Auftrag, während deren Abwesenheit auf ihre nobel eingerichtete Wohnung aufzupassen. Schnell finden sich dessen Schwester und immer mehr angebliche Freunde ein, die nach und nach die Wohnung in Besitz nehmen und sich auch das Recht nehmen allerlei Zerstörungen anzurichten. Die Party findet ein Ende, als Schkrecker, der Sohn der Hausherren, auftaucht und alle herauswirft. In den alltäglichen Ereignissen spiegeln sich letztlich auch Probleme der globalisierten Welt.

Im zweiten Teil treffen die mittlerweile zehn Jahre älteren Jugendlichen erneut aufeinander, ohne dass sie sich an das Sit-In erinnerten, diesmal jedoch in der beklemmenden Atmosphäre eines Gefängnisses. Zwar wird hier viel von Freiheit und Demokratie gesprochen, doch foltern die Täter ihre Opfer ohne Sinn und Verstand. Erst als Buddy seinen ehemaligen Freund Minus töten soll, spielt er das Gedankenexperiment durch, wie alles doch ganz anders hätte laufen können.

 

Der dreißigjährige italienische Autor Fausto Paravidino ist einer der gefragtesten New-Comer im Theatergeschäft. Er schrieb mit „Peanuts“ ein ironisch-beklemmendes Stück mit Zeitbezug zu den Ausschreitungen um den G8-Gipfel in Genua 2001, das von der Zeitschrift „Theater heute“ zum besten ausländischen Stück des Jahres 2003 gewählt wurde.


 

Das Stück

 Im ersten Teil des Stückes erleben wir Jugendliche in ihrer täglichen Banalität: auf einem Luxussofa Coca-Cola schlürfend und vor der Glotze lümmelnd profitiert die Clique von der Tatsache, daß einer von ihnen (Buddy) von reichen Leuten damit beauftragt wurde, während deren Abwesenheit auf ihre Wohnung aufzupassen. Die Jugendlichen nehmen die Wohnung nach und nach in Besitz und sich damit auch das Recht, Teile derselben zu zerstören. Als jedoch der Sohn des Hausherrn auftaucht, machen sie sich, von Buddy als Freunde verleugnet, aus dem Staub. Was sich da verdeckt in heiter-harmlosen Szenen als Unterton durch den ersten Teil des Stückes zieht, ist die Frage nach Besitzrecht und Recht auf Besitzergreifung in einer Zeit, in der die Spaltung der Weltgesellschaft in Arm und Reich durch Machtmissbrauch immer schneller und schneller fortschreitet.

 

 Um die Spaltung der Gesellschaft geht es auch im zweiten Teil des Stückes, das durch einen krassen Schnitt zehn Jahre später angesiedelt ist. Wir finden dieselben Personen wieder, aber nun älter, erwachsener und teilweise sehr verändert. Die Handlung spielt in der repressiven Atmosphäre eines Gefängnisses, wie es etwa das von Bolzaneto sein könnte, in dem während des G8-Gipfels von Genua Demonstranten inhaftiert und teilweise erniedrigt und misshandelt wurden. Die Figuren des Stückes sind nun aufgespalten in Täter/Folterer und Opfer. Erprobt wird ein Foltersystem im Stil einer Militärdiktatur, und das in einer Strafanstalt, in der viel von Demokratie und Verantwortung gesprochen wird. Der Terror wird zur unabdingbaren Notwendigkeit für das Überleben der Macht. Durch einen simplen Zeitsprung führt Paravidino uns die Fragilität des einzelnen Menschen und seiner Entwicklung vor Augen. Buddy ist es, der, als er im Begriff steht, seinen "Freund" Minus zu töten, die Frage nach dem auslösenden Moment stellt. Er unternimmt den illusorischen Versuch, das Ende des ersten Teiles noch einmal, aber diesmal komplett anders zu erleben, da er sein damaliges Verhalten als mangelnde Solidarität gegenüber seinen Freunden sieht, was möglicherweise das spätere Schicksal aller Beteiligten besiegelt hat.

 

Der Autor Faust Paravidino

 

Fausto Paravidino wurde 1976 in Genua geboren und besuchte die dortige Schauspielschule des Teatro Stabile. Danach leistete er Zivildienst in einem Krankenhaus in Alessandria: „In diesem Jahr in der Ambulanz habe ich die ganze Dramatik der Welt gesehen."

1997 schrieb er das Stück „Geflügelschere", das zwei Jahre später in Rom in seiner Inszenierung uraufgeführt wurde. Ein halbes Jahr zuvor war das 1998 gemeinsam mit Giampiero Rappa verfasste Drama „Gabriele" (gleichfalls in Rom) auf die Bühne gekommen. Die Uraufführung von „Zwei Brüder" mit Paravidino als Schauspieler im November 2000 war der Beginn seiner Zusammenarbeit mit dem Teatro Stabile di Bolzano. 2002 wurde in Bozen „Gabriele" gezeigt. „Zwei Brüder" weckte das Interesse des für seine Förderung junger Dramatiker bekannten Royal Court Theatre in London, das ihn 1999 zu einem Arbeitsaufenthalt einlud, wo er in London „Die Krankheit der Familie M" abschloss. 

Das Royal Court erteilte Paravidino 2001 den Auftrag für ein Stück über Menschenrechtsverletzungen. Er dokumentierte daraufhin in „Genua 01" die Ereignisse während des G8-Gipfels in seiner Geburtsstadt und handelte sich damit in Italien erhebliche Schwierigkeiten ein, sogar die vom Theater in Pistoia produzierte Uraufführung (2003) musste nach Rom verlegt werden. Lesungen im Rundfunk und in einem anderen Theater wurden abgesagt. 

 

Bereits vor „Genua 01" hatte Paravidino einen Auftrag des Londoner National Theatre erhalten: „Peanuts" erlebte 2003 seine deutschsprachige Erstaufführung und wurde in der Kritiker-Umfrage von „Theater heute" zum besten ausländischen Stück des Jahres 2003 gewählt. Paravidino arbeitet als Autor und Schauspieler für Film, Funk und Fernsehen. Er hat Stücke von Shakespeare und Pinter ins Italienische übersetzt.

 

 

 

Probenfotos: Marcus Spangehl